Gesamt-CE prüfen – Wann braucht eine Anlage eine gemeinsame CE-Kennzeichnung?

Einzel CE, Gesamt CE – warum ist das wichtig?
Beim Kauf, Umbau oder der Verkettung mehrerer Maschinen stellt sich oft die Frage:
„Brauchen wir ein Gesamt-CE?“
Die Unsicherheit ist groß – besonders bei Sondermaschinen, automatisierten Anlagen oder selbstgebauten Fertigungslinien. Wichtig ist das vor allem dann, wenn Betreiber den Bau von Maschinen selbst in die Hand nehmen. Es werden Maschinen zugekauft und mit anderen kombiniert. Dem Betreiber ist nur wichtig, dass das Ganze am Ende des Tages funktioniert. Das gilt nicht für das Arbeitsinspektorat oder die Behörden. Die wollen wissen, ob sich jemand alle auftretenden Risiken angesehen hat und alle Gefahren auf ein akzetables Maß reduziert haben.
Dieser Beitrag zeigt dir Schritt für Schritt, wie du prüfst, ob eine sogenannte „Gesamtheit von Maschinen“ vorliegt – und wann eine gemeinsame CE-Kennzeichnung erforderlich ist.
✅ Definition: Was ist eine „Gesamtheit von Maschinen“?
Laut Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Artikel 2, Buchstabe a, liegt eine „Gesamtheit von Maschinen“ vor, wenn:
- mehrere Maschinen oder unvollständige Maschinen
(z. B. Roboterarm, Förderband, Verpackungsmaschine, ungeprüfte Zuführeinheit ohne Steuerung) - funktional miteinander verbunden sind
(z. B. der Roboter setzt ein Teil auf ein Förderband, das es zur nächsten Bearbeitungsstation bringt) - sicherheitsrelevant zusammenwirken
(z. B. eine Lichtschranke am Anfang des Prozesses stoppt die gesamte Linie, um Verletzungen zu verhindern) - gemeinsam in Betrieb genommen werden
(z. B. Einschalten über ein zentrales Bedienpanel; ein einziger Start/Stop-Schalter für die ganze Linie) - und ein gemeinsames Ziel erfüllen
(z. B. automatische Herstellung und Verpackung eines Produkts – alle Teilmaschinen arbeiten auf diesen Zweck hin)
➡️ Wenn diese Kriterien erfüllt sind, ist womöglich ein Gesamt-CE notwendig.
📋 Indizien für eine Gesamtmaschine
Indiz | Warum es für eine Gesamt-CE spricht |
---|---|
Zentrale Steuerung | Maschinen sind nicht mehr unabhängig steuerbar. |
Verkettete Prozesse | Materialfluss oder Arbeitsabläufe sind durchgängig. |
Not-Halt-Kette übergreifend | Ein Not-Halt wirkt auf mehrere Maschinenteile. |
Sicherheitsfunktionen sind verteilt | z. B. Lichtschranken, Türen, Zustandsanzeigen wirken auf Gesamtheit. |
Ein Inverkehrbringer / Integrator | Eine Partei übernimmt die technische Dokumentation und Risikobeurteilung für das Gesamtsystem. |
Hersteller liefert kein CE für Einzelmaschine im System | Hinweis auf Unvollständigkeit und Gesamtverantwortung. |
⚖️ Rechtliche Grundlagen
- Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
– Erwägungsgrund (12)
– Anhang I Ziffer 1.1.1
– Begriff: „Assembly of Machines“ - EU-Leitfaden zur Maschinenrichtlinie
→ Abschnitt „Assemblies of machines“ - Österreichische Umsetzung: MSV 2010
→ 1:1-Umsetzung der Maschinenrichtlinie
🇦🇹 Besonderheiten in Österreich
In Österreich ist bei Inbetriebnahme besonders auf die Verantwortung des Betreibers oder Inverkehrbringers zu achten.
Bei Unsicherheit kann auch das Arbeitsinspektorat oder eine externe Fachkraft (z.B. technisches Büro, notifizierte Stelle, usw.) kontaktiert werden.
📌 Was tun bei unklarer Lage?
- Systembeschreibung erstellen – Welche Maschinen, welche Funktionen, welche Schnittstellen?
- Funktionsanalyse und Risikobeurteilung auf Systemebene durchführen
- Abgrenzung prüfen – Gibt es „lose“ Maschinen oder ist die Integration eng?
- Ggf. Stellungnahme einer Notifizierten Stelle oder eines Fachjuristen einholen
🧾 Wenn ein Gesamt-CE notwendig ist:
- ✅ Risikobeurteilung für das Gesamtsystem
- ✅ Technische Dokumentation erstellen
- ✅ EG-Konformitätserklärung für die „Gesamtheit“
- ✅ CE-Kennzeichnung am Gesamtsystem
⚠️ Warum ein Gesamt-CE auch Nachteile mit sich bringt
Auch wenn ein Gesamt-CE in vielen Fällen gesetzlich notwendig ist, kann sie im Betrieb erhebliche praktische und rechtliche Nachteile mit sich bringen:
- Keine Einzel-CEs für Teilsysteme verfügbar: Beim Verkauf oder Austausch fehlt die rechtlich notwendige Einzelkonformität.
- Änderungen am Verbund = neue CE notwendig: Austausch einer Maschine bedeutet häufig neue CE-Pflicht für das Gesamtsystem.
- Hoher Aufwand bei Umbauten: Selbst kleine Änderungen können die gesamte Dokumentation und Risikobeurteilung beeinflussen.
- Abhängigkeit vom Integrator: Der Betreiber bleibt verantwortlich, auch wenn der Integrator nicht mehr verfügbar ist.
- Wiederverkauf von Komponenten erschwert: Einzelmaschinen aus der Gesamt-CE dürfen nicht ohne vollständige Unterlagen weitergegeben werden.
- Geringere Flexibilität bei Nachrüstungen: Jede Änderung muss unter dem Gesichtspunkt der CE-Konformität neu bewertet werden.
✅ Tipp:
Wenn möglich, auf funktional getrennte Einzel-CEs setzen – durch mechanische und steuerungstechnische Entkopplung. So bleibt Flexibilität erhalten, ohne auf Sicherheit zu verzichten.
🧭 Fazit
Das Gesamt-CE ist bei verketteten Anlagen oft notwendig – aber sie ist nicht immer praktisch.
Wer systematisch prüft, ob Einzel-CEs möglich sind, gewinnt an Flexibilität, Rechtssicherheit und Zukunftstauglichkeit.
Bei Fragen würden wir uns freuen Sie bei dem Thema unterstützen zu dürfen. Es gibt auch eine Förderung der Wirtschaftskammer, die Firmen mit Standort in NÖ in Anspruch nehmen können.
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